Als Karneval, Fastnacht, Fasching oder die fünfte Jahreszeit bezeichnet man die Bräuche, mit denen die Zeit vor der vierzig tägigen Fastenzeit ausgelassen gefeiert wird. Dieses Treiben hat am Aschermittwoch sein Ende.

Gerade im Mittelalter und in der Renaissance wurde Karneval groß gefeiert. In diesen Gesellschaften war der Status sehr wichtig und der Karneval war eine Zeit, in der alle Konventionen aufgehoben waren und Regelverstöße möglich wurden. Auch heute legitimiert der Karneval Ausgelassenheit und  Grenzüberschreitungen. Eine große Rolle spielt dabei das Verkleiden. Einst haben die Menschen zur Fastnacht gruselige Masken aufgesetzt und mit Rasseln und Glocken den Winter vertrieben. Heute glauben die Leute kaum noch an Geister aber die Tradition des Verkleidens haben sie beibehalten. Es gibt aufwendige Kombinationen aus geschnitzten Holzmasken und traditionellen Kostümen wie bei der alemannischen  Fastnacht. Beim venezianischen Karneval prunken teure Roben und mit Strass verzierte Masken. Beim Karneval in Rio beherrschen Phantasie Kostüme das Straßenbild, die vor allem schrill und aufreizend sind.

Das Verkleiden ist eine Möglichkeit, Anteile unserer Persönlichkeit in den Vordergrund zu rücken, die wir im Alltag wenig ausleben können. Es gibt Persönlichkeits - anteile, die in unserem Leben nicht zum Einsatz kommen und unbeachtet vor sich hinschlummern. Wenn wir uns verkleiden, schlüpfen wir in eine andere Rolle und fühlen und bewegen uns auch anders, das kann eine faszinierende Erfahrung sein. Bevorzugt verkleiden sich die Menschen, um eine Identität zu erspüren, die ihnen im Leben verwehrt bleibt. Ein Kostüm kann sehr viel bewirken. Hochhackige Schuhe verändern die Perspektive auf andere Menschen, aber auch deren Perspektive auf uns. Umso mehr, wenn ein Mann diese Schuhe trägt..... Man weiß nicht, ob der Verkleidete Teile von sich zeigt oder sie gerade verdeckt. Will die verführerische Frau mit den Netzstrümpfen einmal richtig sexy sein, ist sie grundsätzlich ein verführerischer Typ oder nimmt sie das Stereotyp auf die Schippe? Das ist der Reiz beim Verkleiden: Wer sich kostümiert, geht mit scheinbar eindeutigen Zeichen um, die tatsächliche Botschaft ist aber nicht immer erkennbar. Außerhalb des Karnevals sind unsere Rollen fest gelegt. Weil wir uns für ein bestimmtes Leben entschieden haben, schließen wir gezwungenermaßen unsere anderen Persönlichkeiten aus.

Der Eremit ist das Gegenteil vom ausgelassenen Karnevalisten. Wenn wir auf der Suche nach  Grenzüberschreitungen sind, wollen wir diese Karte nicht sehen. Denn sie repräsentiert Abgeschiedenheit und innere Einkehr. Für den weisen Alten bedeutet Askese, dass er sich von den Vergnügungen dieser Welt zurück gezogen hat. Enthaltsamkeit symbolisiert für ihn nicht Entbehrung sondern den Verzicht auf Unnötiges. Der Einsiedler braucht niemanden und bleibt sich selbst treu. Seine Persönlichkeit ist unerschütterlich. Er hat das Spiel mit anderen Identitäten nicht nötig und er muss niemanden beeindrucken. Seine soziale Einbindung hat er aufgegeben und zieht es vor, auf seinem Gipfel allein zu bleiben. Dort ist er auf der Suche nach der Wahrheit. Sein Stock symbolisiert die Unterstützung, die er dabei erhält. In unserer Kultur können wir den Eremiten manchmal in einer Therapie erleben. Wir lösen uns für ein bis zwei Stunden aus unserem Alltag, um unser wahres Selbst zu erkunden. Dabei taucht der Eremit im Suchenden aber auch im Therapeuten auf, der uns helfen kann, den Weg zu erleuchten. Der Eremit zeigt uns, dass Erleuchtung möglich ist, denn mit seiner offenen Laterne, behält er sein Licht nicht für sich sondern für andere. Er lässt ein Licht für uns leuchten, aber nur, wenn wir hoch genug klettern, um ihn zu sehen. 

Veröffentlichung der Karte „der Eremit" aus dem Wait-Smith Tarot mit freundlicher Genehmigung von Königsfurt - Urania AG.  

Tarot München

Ursula Dimper