Die klassischen Rider-Waite-Smith-Karten und die Karten des Weiser-Tarots im Vergleich

Das Tarot von Arthur Edward Waite und Pamela Colman Smith (1909) ist das wohl einflussreichste Tarotdeck der Welt. Kaum ein anderes Deck hat die Bildsprache des Tarots so nachhaltig geprägt wie das Ride-Waite-Smith-Tarot.

Mit dem Weiser-Tarot, das 2025 bei Königsfurt-Urania erstmals in einer neu kolorierten deutschen Ausgabe erschienen ist, eröffnet sich ein überraschend neuer Zugang zu diesem Klassiker. Denn wer lange mit dem klassischen Rider-Waite-Smith arbeitet, kennt diese Bilder oft so gut, dass diese beinahe "unsichtbar" werden. Gerade hier setzt das Weiser-Tarot an: nicht durch neue Symbole, sondern durch Farbe, Atmosphäre und malerische Tiefe.

Was ist das Weiser-Tarot?

Für diese Ausgabe wurden die originalen Tintenzeichnungen Pamela Colman Smiths behutsam überarbeitet und mit kräftigen Aquarellfarben neu koloriert - orientiert an ihrem ursprünglichen künstlerischen Stil. Das Ergebnis ist kein modernes Re-Design, sondern eine Rückführung zu Smiths künstlerischer Intention: weicher, malerischer, emotionaler.

Gerade für diejenigen, die mit dem klassischen Rider-Waite-Smith vertraut sind, entsteht so eine neue Tiefe der Wahrnehmung, ohne die ikonische Symbolik zu verlieren.

Farbe als Deutungsebene

Für meine eigene Tarotpraxis ist die Farbgestaltung ein zentraler Zugang zur Kartenbedeutung - und genau hier entfaltet das Weiser-Tarot seine besondere Stärke.

Viele empfinden das klassische RWS-Deck durch die dominanten Gelbtöne als hart oder distanziert. Im Weiser-Tarot sind diese Gelbtöne deutlich abgemildert, durchmischt mit Rot-, Blau- und Lilanuancen. Dadurch entstehen neue Deutungsschichten:

  • Der Magier: Der Magier trägt keinen roten, sondern einen lilafarbenen Mantel. Eine Verbindung von Handlung (Rot) und Gefühl (Blau) - Aktivität im Einklang mit innerer Wahrnehmung. Handlung ohne Gefühl wirkt zu dominant und inhaltsleer; hier wird genau die nötige Balance sichtbar.
  • Der Mond: Im Weiser-Tarot ist wirklich Nacht. Die dunkleren Blautöne erzeugen Stillstand, Unsicherheit und innere Hemmung. Die Karte wirkt weniger dynamisch, dafür psychologisch dichter.
  • Zwei der Stäbe: Das Orange und die Rottöne betonen den Willensimpuls: Jetzt bin ich bereit. Jetzt gehe ich los.
  • Ritter der Kelche: Dominierende Blautöne - sogar beim Pferd - unterstreichen das Übermaß an Gefühl, die emotionale Überidentifikation, die den Kelchritter oftmals kennzeichnet.
  • Sechs der Schwerter: Die Gedankenwelt wirkt insgesamt  bei den Schwertkarten nicht kalt-abstrakt, sondern durch violette Nuancen mit emotionaler Tiefe verbunden.
  • Sechs der Münzen: Die Münzkarten sind auffällig grün gehalten - eine Mischung aus Gelb (Erkenntnis, Göttlichkeit) und Blau (Gefühl). Materielle Manifestation entsteht hier als Ergebnis innerer Ausrichtung, nicht bloßer Anstrengung.

Wirkung und Zielgruppe

Durch die aquarellartige Gestaltung wirkt das Weiser-Tarot insgesamt weicher, zugänglicher und emotionaler. Zugleich fällt positiv auf, dass die Darstellungen diverser sind als im klassischen RWS - ein Aspekt, der das Deck auch in der heutigen Zeit anschlussfähig macht.

Für alle, die mit dem Rider-Waite-Smith-Tarot arbeiten, ist das Weiser-Tarot keine Alternative im Sinne eines Ersatzes, sondern eine echte Erweiterung der eigenen Deutungspraxis.

Fazit

Das Weiser-Tarot zeigt, wie viel neues Leben in einem scheinbar vertrauten System stecken kann. Durch Farbe, Atmosphäre und malerische Tiefe eröffnet es neue emotionale und intuitive Zugänge, ohne die ikonische Bildsprache zu verfälschen.

Ein gelungenes Deck für alle, die das klassische Tarot lieben - und dennoch weiter sehen möchten.